3. november 2015 bis 16. januar 2016
»matthias köster – Malerei«

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Flüchtig wie ein Augenschlag erscheint die Malerei von Matthias Köster (*1961), in sekundenschnellen Bildern eine Realität bannend, die nur mit weit geschlossenen Augen festzuhalten ist. Matthias Köster arbeitet mit kurz aufflackernden und doch sich ins Gedächtnis einschreibenden mediatisierten Bildern. Um diese sowohl in ihrer Flüchtigkeit als auch Eindringlichkeit festzuhalten, bedient er sich einer besonderen Maltechnik: alla prima, in einem Zug, bringt er Ölfarben auf einen Bildträger aus Aluminium auf und erzielt damit einen malerischen Duktus von höchster Lebendigkeit, Transluzenz und Leuchtkraft der Farben. Mit einer solchermaßen in die Malerei gelegten Geschwindigkeit verankert er seine Bildwelten in einem Hier und Jetzt auf der unscharfen Trennlinie zwischen Fiktion und Wirklichkeit. So schafft er Bilder von Bildern, hinter denen weniger Realität als vielmehr die glatte Oberfläche einer Begehren weckenden, doch niemals Erfüllung findenden Scheinwelt steht. Motivwelt und Maltechnik korrespondieren insofern, als die Farbe vom Grund gelöst erscheint und ihn immer wieder hindurchblitzen lässt und den Malgrund im Spiegeleffekt immaterialisiert.

In der Wahl und Kombinatorik seiner Motive adaptiert Matthias Köster den voyeuristischen Blick von Hochglanz- und Boulevardmagazinen und trägt damit den begehrlichen Blick als Thema in seine Malerei. Dieser trifft auf keck posierende prototypische Frauenkörper, die in artifiziellen Haltungen ihre Verfügbarkeit zum Ausdruck bringen und damit ein unendlich wiederholtes und wiederholbares Set an Posen des Verführerischen. Theatralisch und steril zugleich finden sie sich auf der harten Oberfläche des Aluminiums ein, bisweilen schonungslos bearbeitet von Kösters speziellen Ausschneide- und Ritztechniken. Diese Gravuren greifen durch Hinzufügungen kleiner piktoraler Elemente ins Bildgeschehen ein – so wird eine aufreizend putzende Dame mit dekorativen Schmetterlingen, Blumenmotiven, einem Schiff und Dürers betenden Händen gleichsam tätowiert – ebenso überlagern Kösters Einritzungen in ornamentaler Form die Bildoberfläche als Ganzes die Motivik dynamisieren oder auch die Erzählung mit figürlichen Ergänzung erweitern.

In der großen Arbeit ‚Dresdner Atelier’ von 2008 überlagert Köster die Darstellung zweier Modells aus einem russischen Modemagazin mit der Einritzung einer Zeichnung nach Ernst Ludwig Kirchner.

Nur erahnen lässt sich die Vorlage dieser Atelierszene, bei der ein Sammler das Atelier des Malers betritt, in welchem sich im Hintergrund auch das Lieblingsmodell der Brückemaler, die minderjährige Fränzi aufhält. Die Einritzungen entfalten so ein Eigenleben, das sich von der Motivik der darunter liegenden Farbschichten zu entfernen scheint. Gleichzeitig ergibt jener Rekurs auf die Kunstgeschichte, die althergebrachte Vorstellung von der Intimität des Künstlerateliers, des Verhältnisses des Malers zu seinem Modell und seinem Sammler einen Hinweis auf das, was im Hochglanzzeitalter der Kunst einer Transformation unterzogen ist. Köster sind die Modelle und Stars seiner Bilder nicht weniger fremd als uns – doch ihre Oberfläche hat er ein Stück weit durchdrungen.

Es ist der Film, der Matthias Köster als maßgebliche Inspirationsquelle dient, sowohl im Hinblick auf die dem Film eigene materielle Ausprägung als auch in Bezug auf seine medialen und ästhetischen Möglichkeitsräume. Die dünne, wie eine aufgezogene Folie erscheinende Malschicht transportiert die Transluzität des Zelluloids als Trägermaterial des Films, ebenso das Durchschimmern des Untergrundes durch das projizierte Filmbild. Filmtechniken wie das Arbeiten mit Überblendungen und Montage werden von Köster in und auf die Malerei übertragen. Motive, deren Quellen sich gewöhnlich nicht einmal berühren würden, vermögen so in einem Bild zusammenzutreten, jedoch ohne gewaltsam miteinander verschmolzen zu werden.

Ganze Bildzyklen widmet Köster zu Klassikern gewordenen filmischen Werken. In der Adaption und malerischen Transformation der ausgewählten Szenenbilder werden diese jedoch nie stillgestellt und eingefroren – die schnelle Maltechnik alla prima erlaubt es Matthias Köster, das changieren eines Filmbildes zwischen Flüchtigkeit und Einprägsamkeit zugleich zu erhalten. Stetig verbleibt der Betrachter so im Ungewissen, ob der diese Bilder, die Bilder von Bildern sind, nun schon einmal gesehen habe oder nicht, denn nie vermag sich das Gesehene mit dem Erinnerten völlig zu decken.

In seiner Bezugnahme auf einzelne Filmbilder und damit auf die Medialität derselben handelt es sich allerdings nicht um eine Verklärung des Cineastischen oder um das Unterstreichen der Auratik dieser Bilder – vielmehr ist es gerade deren uneingeschränkte Verfügbarkeit, auf die sich Köster durch das Heranziehen von Filmstills zu motivischen Vorlagen seiner Malerei bezieht. Filmstills aus dem Fernseher sind Teil seiner malerischen Strategie. Er selbst gehört einer Generation an, die mit der ständigen Verfügbarkeit von Videofilmen und Filmbildern aufgewachsen ist. Köster hat in seiner großformatigen Arbeit seines „Eyes Wide Shut“ – Zyklus die flimmernde Nummer seines Videokanals Achtundzwanzig über den maskierten Hauptdarstellern als Teil der Szene eingefügt. So vergegenwärtigt sich im Spiel mit den verschiedenen formalen und inhaltlichen Ebenen der Bilder auch die Essenz, die Stanley Kubrick aus der Traumnovelle Arthur Schnitzlers destilliert – Täuschung und Ent-Täuschung, Traum und Realität, Begehren und Indifferenz, sind nicht ohne Verluste zu scheiden und deren Übergänge fließend. Ob das Erwachen ein Erwachen aus einem Traum und die Ankunft in der Realität oder ein Träumen des Erwachens und des Beginns der Realität ist, muss nicht restlos geklärt werden - der Preis für Wahrhaftigkeit ist oft zu hoch, als das wir ihn zahlen mögen – und ohne Glanz, Glamour, Schönheit und Reiz.

sandro parrotta